Dienstag, 10. Dezember 2013

"ABER" - das wichtigste Wort de Autoindustrie

 

 

Die deutsche Autoindustrie sieht sich als Weltmeister und hält sich –zu Recht oder zu unrecht- zugute, „Premium“- Autos zu bauen. Das mag sein, ist aber unwichtig, denn es hat weniger mit der Qualität als mit einem Markenimage zu tun, das sehr erfolgreich aufgebaut wurde.  Zum Markenimage gehört auch der Anspruch, irgendwie die „Nummer 1“ zu sein, etwa in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

 

Das hat auch gerade wieder Volkswagen betont, bei dem vom Naturschutzbund Deutschland  (NABU) gemeinsam mit seinem Kooperationspartner VW durchgeführten „Stakeholder- Dialog“. Vor Umweltverbänden, Politikern und Behördenvertretern präsentierte VW seinen Fortschritt „Auf dem Weg zum nachhaltigsten Autohersteller“ – so der Titel. Das ökologische Buffet, geliefert vom NABU– hauseigenen Catering, war vom Feinsten. Die Präsentationen von VW, soweit sie das Produkt „Auto“ betraf, aber eher altbacken, denn da ging es wie gehabt eigentlich nur um TDI, TSI, ein bisschen Hybrid in der Oberklasse, und darum, dass VW zwar alles kann, es „aber“ aus verschiedenen Gründen nicht einsetzt…

 

Grosse Fortschritte konnte VW beim Ressourcenverbrauch und den Emissionen in der Produktion vorstellen („ThinkBlue- Factory“). Allerdings fallen dort nur vergleichsweise wenig CO2- Emissionen an. Denn Autos sind nicht in ihrer Herstellungs-, sondern vor allem während ihrer Nutzungsphase geradezu Klimazerstörungsmaschinen. Mehr als 200 Millionen Tonnen CO2 stoßen die von VW in einem Jahr weltweit produzierten PKW über ihre gesamte Nutzungsdauer (150.000 km) aus, das sind 62 Prozent aller CO2- Emissionen (334 Mio Tonnen), Produktion, Energiebereitstellung, Zulieferer inklusive. So ist es denn eher traurig, dass die Autoindusrie, und auch VW, gerade beim Hauptproblem, dem Produkt Auto und dessen Emissionen,  kaum Punkte machen kann.

 

Denn nicht etwa Nachhaltigkeit,  Produktstrategie oder Elektromobilität standen im Mittelpunkt,  sondern das Wörtchen „aber“: so hat VW natürlich die Technik für sparsame Autos, „aber der Kunde will dafür nicht zahlen!“ VW will natürlich die Elektromobilität, „aber das braucht mehrere Jahrzehnte“. E- Autos zu bauen ist kein Problem, „aber andere müssen erstmal für die Infrastruktur sorgen“. VW kann selbstredend die derzeit heiß diskutierten EU- Grenzwerte einhalten, „aber  das ist abhängig von den Kunden!“. Schon vor Jahren hatte VW Greenpeace versichert, man wolle die unsinnigen SUVs (schwere Pseudo- Geländewagen) nicht, „aber der Markt verlangt sie nun einmal!“.

 

So kommt es, dass die deutschen Autobauer – und VW ganz besonders – zwar alles können, es „aber“ eben nicht einsetzen, oder nur in so bescheidenem Umfang, dass der ökologische Fortschritt ihrer Produkte eine Schnecke bleibt. Zwar hat die Autoindustrie die richtigen Einsichten, sie weiß um die Klimaproblematik und die Endlichkeit der fossiler Rohstoffe, und auch um den sich abzeichnenden Umbruch der Mobilität. Aber welche Schlüsse zieht sie daraus? Wirksame Spartechnik gibt’s nur in großen und teuren Autos, etwa Touareg, Cayenne, oder Panamera. Ökonomisch erschwingliche kleine E- Mobile wird’s gar nicht geben, und deswegen wird sich der Abschied vom Öl auch bei VW auf Jahrzehnte hinziehen. Und die Zahl der unsinnigen SUVs soll, laut Audi- Chef Stadler, gar noch massiv gesteigert werden. Auf dem Weg zur ökologischen Nummer Eins? Dank des Wörtchens „aber“ kann man die richtigen Einsichten haben, aber trotzdem das Falsche tun.

 

Nicht nur das fatale „aber“, auch das starre Ignorieren der eigentlich wichtigen Zukunftsfragen behindert die Entwicklung besserer Fahrzeuge:

 

Thema Effizienz: Ein „effizientes“ Auto ist eines, das mit möglichst wenig Energie seine Passagiere plus Gepäck von A nach B bringt. Die Effizienz bemisst sich also am Verbrauch bezogen auf die transportierte Nutzlast - sollte man meinen.  Das sieht die Autoindustrie ganz anders. Angeblich seit Jahrzehnten erhöht sie die „Effizienz“ ihrer Autos, trotzdem sinkt der Verbrauch nur sehr langsam. Der Grund:  das unerhörte Gewicht der Autos verharrt auf hohem Niveau oder steigt  dank der katastrophalen Modellpolitik (SUVs) sogar weiter an. All die TDI, TSI, TSFI, DSG  oder ACT (partielle Zylinderabschaltung bei VW) sind zwar kleine Wunderwerke, aber erhöht wird nur die rein technische Effizienz des Antriebsstrangs. Die Effizienz der Fahrzeuge –bezogen auf die Transportaufgabe- bleibt auf der Strecke. Bei einer Nutzlast von -zum Beispiel- 100 Kilo, also Insasse plus Gepäck, schleppt ein Golf das dreizehnfache an Ballst mit sich herum, ein Touareg oder Panamera das zwanzigfache. 90 bis 95% des transportierten Gewichts sind also reiner Ballast. Die Gesamteffizienz eines heutigen durchschnittlichen Autos, also die technische Effizienz des Antriebs mal  dem Verhältnis Ballast/ Nutzlast, liegt dadurch bei ca 3 %, die eines SUV ist kaum höher als ein (!) Prozent. Extremes Gewicht, die dadurch „nötige“ extreme Motorleistung, und all die verhängnisvollen „Werte“ wie Status, Dominanz, Geltungsdrang,  sollen aber im Interesse des „Premium-„ Image beibehalten werden. Die Autoindustrie, auch VW, hat auf die Kernfrage der Gewichtsverringerung von Fahrzeugen bislang keine Antwort, im Gegenteil, sie sieht es nach wie vor als ihr ureigenstes Interesse, dass Fahrzeuge groß, schwer, eben: „Premium“ , und damit ineffizient bleiben. Insgesamt setzt VW bei seiner Spartechnik vor allem auf das obere Segment wie Touareg, Cayenne etc. Die Gesamtemissionen werden aber geprägt vom Volumensegment, und da spielen die Ersparnisse in der Oberklasse eine nachgeordnete Rolle. Die performance des neuen Kleinwagen up! ist dagegen vergleichsweise enttäuschend: 105 Gramm. Das sind 20 Gramm mehr als der sparsamste Golf.

 

Oder, Thema E- Mobilität: VW und die Autoindustrie versuchen –aus ihrer Perspektive  verständlich - Elektromobilität allein mit dem Auto zu verbinden. Dabei eignet E-Mobilität sich für nichts so wenig wie gerade fürs Auto. Ökonomisch macht E-Mobilität für den einzelnen Nutzer nur dann Sinn, wenn sie bezahlbar ist. Dass geht nur mit sehr kleinen Batterien, und dementsprechend  mit kleinen Fahrzeugen. Das ist eine Botschaft, die der Autoindustrie überhaupt nicht schmeckt. Sie will möglichst viele möglichst große Autos verkaufen. Aber rein- elekrischer Antrieb ist –von Spezialaufgaben etwa in Firmenflotten mal abgesehen- nirgendwo so ungeeignet wie in großen Autos. Und natürlich ignoriert die Autoindustrie vollständig die e-Mobilität als Phänomen und Chance vor allem für Fahrzeuge unterhalb der Kategorie „Auto“. Da ist es kein Wunder, dass laut VW der Wandel zur E-Mobilität sich über „die nächsten Jahrzehnte“ erstreckt.

 

Oder, Thema Mobilität: Es macht eigentlich gar keinen Sinn, Autos allein unter Effizienz-, ja nicht einmal allein unter CO2- oder Klimagesichtspunkten zu sehen.  Das Oberthema ist: Welche Rolle spielt das Auto überhaupt (noch) in einer zukünftigen Mobilität? Darauf gibt weder VW noch ein anderer Hersteller eine angemessene Antwort. Wie auch? Autos, also beschleunigte Massen von weit über einer Tonne und  fast 10 Quadratmetern Flächenverbrauch, sind  in Städten grundsätzlich fehl am Platz. Da ist es völlig egal, mit welchem Antrieb und wie welchem Kraftstoff. Statt einer Antwort behilft sich die Autoindustrie mit „Visionen“ vom fahrerlosen Auto und ähnlichem Zukunfts- Schnickschnack, der mit der Lösung der wichtigen Probleme nichts zu tun hat, jedenfalls mittelfristig. Das konventionelle Auto, auch das ohne Fahrer,  ist eben nicht Teil zukünftiger Massenmobilität, sondern steht ihr im Wege..

 

(Anmerkung am Rande: SUVs, also PKW von 2 plus X Tonnen Gewicht, sind sozial unverträglich. Sie überschreiten eine rote Linie mit ihrem unakzeptablen Gefahrenpotential, sie behindern die Mobilität und sie setzen Anreize in die falsche Richtung.  Zugegeben: sie befriedigen ein Bedürfnis Vieler, aber es gibt eben auch bei Autos Bedürfnisse, die nicht befriedigt werden dürfen, ohne jetzt gleich SUVs mit Schusswaffen gleichzusetzen. Solange die Autoindustrie damit Gewinne macht, wird sie diese Autos in den Markt drücken, „Stakeholder- Dialog“ hin oder her. Deshalb ist hier die Politik am Zuge: Mit einer gewichtsabhängigen Höchstgeschwindigkeit, einer „grünen Nummer“,  oder gleich mit einer gesetzlich festgelegten Gewichtsbeschränkung.  Dass VW die Herausforderungen der Zukunft ausgerechnet darin sieht, keine „Entbehrungsautos“, sondern weiterhin „hochemotionale“ Autos mit vielen PS und Übergewicht zu bauen, ist sehr befremdlich, gerade auf einem „Stakeholder- Dialog“ mit Umweltverbänden).                               

 

 

Natürlich, und hier hat VW Recht: Die Akzeptanz des Kunden ist Dreh- und Angelpunkt. Aber was sollte dagegen sprechen, dass der Kunde Spartechnik annimmt, wenn er damit  über die Lebenszeit des Autos 4 bis 5.000 Euro spart. Die  Mehrkosten für die Autoindustrie sind, laut unabhängiger wissenschaftlicher Studien, vergleichsweise niedrig, um die 1.000 Euro. Der Kunde dürfte sich für die ökonomisch bessere Alternative entscheiden – er müsste es nur wissen. Natürlich weiß der Konzern selbst am besten, wie er erfolgreich Geld verdient und mit welchen Produkten. Er scheint dabei aber allzu sehr durch die kurzfristige Brille zu schauen. Um eine Einführung von Spartechnik gerade im unteren Segment bemüht sich ausgerechnet der VOLKSwagen- Konzern sehr wenig, da ist auch ein Erdgas- up mit mehreren Tausend Euro Aufpreis kein Gegenargument Es hat auch Jahre gedauert, bis VW unter erheblichem Druck von außen zumindest seine abgespeckte Spartechnik (BlueMotion- Technology) ohne Aufpreis eingebaut hat. Ob der Kunde die Spartechnik auch gegen einen moderaten Aufpreis annimmt oder nicht, ist aber zumindest AUCH eine marketing- Frage und damit in der Hand von VW. Andere können es doch auch!

 

Fazit: Abgesehen von den Fortschritten in der Produktion konnte VW seinen Anspruch auf die Nummer 1 der Nachhaltigkeit nicht überzeugend darstellen. Spartechnik kommt vor allem top- down, also zunächst mal in die großen Autos und bleibt dem Massensegment (wo es besonders wirksam wäre) vorenthalten. Gewicht bleibt Trumpf, und bei der Betrachtung der „Effizienz“ laut VW bleibt das Herumschleppen von sinnlosem Übergewicht außen vor.  Elektromobilität wird auf Elektro- „Autos“ a la Golf oder Polo reduziert, ausserdem sollen andere erstmal die Vorleistungen erbringen. Und die Zukunftsautos von VW sollen nicht mit „Verzicht“, dafür aber viel mit „Emotion“ zu tun haben. Man wird sehen….

 

W. Lohbeck, im Dezember 2013


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